Sebastian Stietzel – Wie der Berliner IHK-Präsident Azubis in Namibia gewinnen will.

In Namibia unterstützt die IHK dafür den Aufbau eines Ausbildungszentrums. Das soziale Unternehmen will Jugendliche in technischen Berufe ausbilden.

Früh übt sich, wer als Unternehmer Karriere machen möchte. Gerade einmal 14 war Sebastian Stietzel, als er zum ersten Mal „unternehmerisch aktiv“ wurde. Mit 16 hatte der Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin dann schon sein erstes eigenes Unternehmen – den Computerservice Neustrelitz. „Wahrscheinlich bin ich einer der wenigen Gründer, der sich sogar über den ersten Brief vom Finanzamt gefreut hat“, erinnert sich der IHK-Präsident und schmunzelt.

„Wie man das in Deutschland so macht“, habe er sich nach dem Abitur parallel zum Unternehmertum für ein Studium entschieden – Wirtschaftsingenieurwesen und Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin. Geschadet hat ihm das offenbar nicht. Heute ist der Diplom-Kaufmann neben seiner Präsidententätigkeit geschäftsführender Gesellschafter der Marktflagge GmbH, einem Unternehmen, das Mittelständler unterstützt, sich strategisch neu auszurichten, sich umzuorganisieren oder etwa an die Börse zu gehen.

Als IHK-Präsident will Stietzel nicht weniger als den Fachkräftemangel in der Hauptstadt lindern. Dafür war er Anfang Dezember gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim German-African-Business Summit in der kenianischen Hauptstadt Nairobi und besuchte dort auch das Ausbildungszentrum „Toolkit“. Das soziale Unternehmen will Jugendliche in technischen Berufe, zum Beispiel im Bauwesen, qualifizieren und
mit Unternehmen in Kontakt zu bringen. Für Stietzel ein Best-Practice-Beispiel, denn auch er will Fachkräfte in Afrika ausbilden – allerdings für den
Berliner Arbeitsmarkt. Deshalb reiste er danach in die Berliner Partnerstadt Windhoek in Namibia.


Im Februar 2024 war dort die Idee zum Aufbau eines Ausbildungszentrums entstanden – initiiert von der IHK Berlin. „Wir wollen dazu beitragen, dass in Namibia nach deutschem Standard ausgebildet wird“, sagt Stietzel. Das Interesse an Kooperationen im Ausbildungsbereich in Namibia sei groß. Stietzels Plan: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Modellprojekts sollen in Namibia ihren Berufsabschluss erwerben, vornehmlich in den Berufen, in denen der Berliner Bedarf an Fachkräften am höchsten ist – also zum Beispiel im Gastgewerbe oder im Bereich  Unternehmensdienstleistungen. Außerdem sollen Teilnehmende Deutsch lernen und an die deutsche Kultur herangeführt werden. Damit soll erreicht werden, dass ihnen der Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt leichter fällt. Stietzel schwebt bereits ein Ausbau des Projekts vor, sollte die Kooperation mit Namibia gut funktionieren. Mit anderen Partnerstädten, aber auch innerhalb Afrikas. In Berlin fehlen im Moment laut IHK-Fachkräftemonitor 90.000 Fachkräfte, Tendenz
steigend. Das Modellprojekt soll deshalb schnell starten, einen Start Anfang 2026 sei möglich, sagt Stietzel.

Den Plan des Berliner Senats, 2026 möglicherweise eine Ausbildungsumlage einzuführen – soll- ten die Betriebe verglichen mit 2023 nicht 2.000 zusätzliche Lehrstellen schaffen –, sieht der IHKPräsident derweil kritisch: „Es schmerzt mich, dass wir in der Berliner Landespolitik gerade über so etwas wie eine Ausbildungsumlage diskutieren.“ Stattdessen sollte seiner Meinung nach der Fokus
darauf gelegt werden, die „aktuell mehr als 12.000 freien Ausbildungsplätze in Berlin zu besetzen und die noch unversorgten Jugendlichen in Ausbildung zu bekommen.“

Laut einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung bildet nicht einmal jeder fünfte Betrieb in der Hauptstadt aus – im Bundesvergleich
ist das wenig. Eine Umlage für alle Betriebe, egal, ob sie ausbilden oder nicht, würde
in Stietzels Augen jedoch nichts verbessern. Im Gegenteil, er spricht von einer „Strafgebühr“, fürchtet ein „Bürokratiemonster“.

Größeres Augenmerk wünscht Stietzel sich stattdessen auf der Berufsorientierung. Hilfreich findet er die „Ausbildungsbotschafter“ der IHK – Azubis, die Schulklassen ihren Weg in die Ausbildung beschreiben und tägliche Aufgaben und  Karriereoptionen vorstellen. Oder Praktikumswochen, bei denen Jugendliche über Tagespraktika gleich „mehrere
Betriebe in kürzester Zeit“ kennenlernen können.

„Viele Schülerinnen und Schüler haben eine sehr reduzierte Sicht auf die verschiedenen Berufsbilder“, findet Stietzel. Das von der Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) geplante 11. Pflichtschuljahr – für Jugendliche, die nach der 10. Klasse keinen Ausbildungsplatz oder weiterführenden Schulplatz haben – unterstützt er ausdrücklich. 


Um die Ausbildung attraktiver zu machen, meint
Stietzel, müsse sich das „Ausbildungssystem als Ganzes“ wandeln. Die IHK Berlin habe dafür gerade eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben. Die Studie soll die Frage beantworten, wie das Ausbildungssystem zukunftsfähig weiterentwickelt
werden kann – dafür werden Experten, Betriebe und Auszubildende befragt. Stietzels Prognose: „Wahrscheinlich
müssen wir Ausbildung strukturell umdenken,
um sie so schneller und flexibler zu gestalten.“

6.03.2025

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